GRG 21 Schulschiff:Boykott des 2. SQA-Themas

Erklärung: Warum wir gegen die Bearbeitung eines zweiten Themas im Rahmen der Schulqualität Allgemeinbildung (SQA) gestimmt haben
 
Für uns, die Lehrerinnen und Lehrer des GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner, ist Schul-entwicklung seit jeher ein wichtiges Thema, wir sind prinzipiell pädagogischer Innovation zugetan und legen großen Wert auf schülerInnenzentrierte pädagogische Arbeit. Ausdruck dieser Haltung sind unter anderem der Schulversuch 'KoKoKo', die Bemühungen um die Ein¬führung des Schulversuchs 'Modulare Oberstufe', deren bewährte Teile jetzt in Gestalt unseres Kurssystems im Bereich der Wahlpflichtfächer und im Fach Bewegung und Sport sowie in den sog. Startseminaren in der Oberstufe fortleben, sowie die zahlreichen Angebote und Projekte, die einem sozial- und lernförderlichen Klima an unserem Schulstandort dienen.
 
Gleichzeitig sehen wir uns seit vielen Jahren einer Schulpolitik ausgesetzt, die unsere Arbeit systematisch erschwert, die pädagogische Konzepte einer interessen- und neigungsgeleiteten Individualisierung durch Einführung zahlreicher Testformate konterkariert und die durch die Bedienung des bildungspolitischen Stammtisches vom Schlage eines Bildungsberaters An¬dreas Salcher oder des News-Herausgebers Wolfgang Fellner uns LehrerInnen als MinderleisterInnen und Privilegienritter öffentlich vorführt.
 
Dazu einige Fakten:

*   Die Kürzungen der Schulstunden für Schülerinnen und Schüler in praktisch allen Fächern im Ausmaß eines dreiviertel Schuljahres in der gesamten Schullaufbahn der MaturantInnen seit Mitte der neunziger Jahre sowie die Streichung der Klassenvorstandstätigkeiten aus der Lehrverpflichtung erhöhte die LehrerInnenarbeit im Ausmaß von durchschnittlich einer weiteren zu unterrichtenden Klasse.
 
*   Die Einführung der Neuen Reifeprüfung (NRP) bringt…
… die intensive Betreuung von durchschnittlich zwei bis vier SchülerInnen bei der Vor-wissenschaftlichen Arbeit (VWA) während des gesamten Schuljahres.
… die deutlich aufwändigere Ausarbeitung von 24 bis 48 Fragestellungen für die mündli¬che Reifeprüfung in jedem Fach.
… die Zunahme von Prüfungs- und Präsentationsterminen im Rahmen der NRP für viele Lehrerinnen und Lehrer.
… eine unerträgliche Mehrarbeit aufgrund der wenig professionellen Vorgangsweise bei der Einführung der NRP, die mit nicht enden wollenden  Korrekturen und Veränderungen in der Durchführung die Schaffung eines Klimas der Verunsicherung bei LehrerInnen und SchülerInnen zur Folge hat.
 … eine gravierende Mehrbelastung für viele Schülerinnen und Schüler, die in ihrem Matu-rajahr einer beispiellosen Hast von einer Anforderung zur nächsten ausgesetzt sind.
… ein Im-Stich-Lassen der Schülerinnen und Schüler, denen trotz erhöhter Anforderungen bei der neuen mündlichen Reifeprüfung die fachlich betreuten Vorbereitungsstunden auf bis ein Drittel des bisherigen Ausmaßes gekürzt wurden. Zudem werden die gekürzten Vorbereitungen klassenübergreifend und infolgedessen oftmals nicht von der die Schülerin bzw. den Schüler unterrichtenden und prüfenden Lehrperson durchgeführt.
 
Darüber hinaus stehen für die kommenden Jahre weitere gravierende Verschlechterungen unserer Arbeitsbedingungen und der Lernbedingungen der Schülerinnen und Schüler ins Haus. Die für das Schuljahr 2017/18 beschlossene Modularisierung der Oberstufe schafft an unserem Schulstandort erneut Bedingungen, die für uns Anlass waren, aus dem Schulversuch 'Modulare Oberstufe' nach intensivem Einsatz bereits nach drei Jahren wieder auszusteigen.
Zwei Punkte seien hier angeführt:
 
*   Die Modularisierung, das heißt der semesterweise Abschluss von Lerneinheiten, verschafft den Schülerinnen und Schülern die Verdoppelung der Möglichkeiten für ein Nicht genügend mit Folgen, sprich mit Wiederholungsprüfungen. Während also bisher ein/e SchülerIn ein Nicht genügend in der Schulnachricht zu Semesterende als Signal für vermehrte An¬strengungen in diesem Fach lesen konnte, muss er/sie nun für eine Wiederholungsprüfung Ende Februar lernen. Die Praxis zeigte, dass vor allem 'lernschwache' SchülerInnen dem Unterricht im Februar fernblieben, um für die Wiederholungsprüfung zu lernen, mit dem Effekt, dass sie sich bereits zu Semesterbeginn Rückstände in allen Fächern einhandelten.
 
*   Auch für uns Lehrerinnen und Lehrer bedeutet die Modularisierung der Oberstufe die Zu-nahme von Prüfungsaufwand: Neben den anfallenden zusätzlichen Wiederholungsprüfungen sind hier vor allem die von SchülerInnen vermehrt gewünschten Prüfungen zur Verbesserung der Note bereits im ersten Semester zu nennen. Die bisher für Projekte und interessenorientierten Unterricht genutzte, weitgehend schularbeits- und prüfungsfreie Zeit von Jänner bis Anfang März fällt damit weg.
 
*   Dass für die Einführung der Modularisierung der Oberstufe ganz offensichtlich nur die Erfahrungen jener Schulen zur Kenntnis genommen wurden, die dabei geblieben sind, und nicht derjenigen, die entweder ganz oder in wesentlichen Teilen wieder ausgestiegen sind, schmerzt und trägt nicht dazu bei, unser schulentwicklerisches Engagement zu stärken.
 
Völlig inakzeptabel und mit unabsehbaren Folgen für zukünftige KollegInnen ist das bereits beschlossene neue LehrerInnendienstrecht, das für NeueinsteigerInnen ab dem Schuljahr 2019/20 gelten wird. Wird dieses Gesetz vor allem bezüglich des Ausmaßes der Lehrverpflichtung und der Rahmenbedingungen für UnterrichtspraktikantInnen nicht zurückgenom¬men, könnten wir uns dazu gezwungen sehen, unsere bisherige pädagogische Praxis den neuen Bedingungen anzupassen und eine Reihe von Projekten und Angeboten einzustellen. Wir werden das aber nicht klammheimlich tun, sondern unsere SchulpartnerInnen und eine interessierte Öffentlichkeit darüber informieren, wie die bildungspolitisch Verantwortlichen in diesem Land seit Jahren unsere pädagogische Arbeit, die um ein positives Lernklima und um die individuelle Förderung der Interessen und Neigungen der Schülerinnen und Schüler be¬müht ist, torpedieren!
 
Die Grenzen unserer Belastbarkeit sind aber bereits jetzt erreicht. Ausdruck dieser erreichten Belastungsgrenze sind eine Zunahme von mehrmonatigen Krankenständen sowie die ver¬mehrte Inanspruchnahme von Teilzeitarbeit in den vergangenen Jahren. Wir befürchten, dass diese Phänomene, die zum Teil mit Einkommensverlusten verbunden sind, mit den neuen Belastungen der NRP zunehmen werden.
 
Darüber hinaus sehen sich viele von uns durch die von oben oktroyierten Veränderungen in ihrer pädagogischen Arbeit demotiviert: Statt Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zu kritischen, selbständig denkenden und reflektierenden Menschen zu begleiten und zu fördern, haben wir sie zunehmend für die diversen Testformate vorzubereiten.
 
Wir sehen die Direktorinnen und Direktoren sowie zum Teil auch die SchulinspektorInnen nicht als für die beschriebene Misere Verantwortliche an. Im Gegenteil: Auch sie sind Leidtragende der sich immer weiter verschlechternden Rahmenbedingungen, vor allem dann, wenn sie sich einer humanen Schule verschrieben haben. Wir sehen uns in Letztem mit unserem Direktor verbunden, auch wenn er aufgrund seiner Funktion zum Überbringer der oftmals schlechten Nachrichten von oben gezwungen war und ist.
 
Wir sehen uns aus den angeführten Gründen gezwungen, die Bearbeitung eines zweiten Themas im Rahmen der Schulqualität Allgemeinbildung (SQA) wegen Arbeitsüberlastung und aus Protest gegen die aktuellen Vorgaben der Bildungspolitik zu verweigern. Wir sind bereit, mit den Verantwortlichen über die für uns mittlerweile untragbar gewordene Situation zu dis¬kutieren.
 
Für das Kollegium des GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner, das bei einer Urabstimmung mit 87 % dieser Protestmaßnahme zugestimmt hat,
 
Dienststellenausschuss der Personalvertretung und  Gewerkschaftlicher Betriebsausschuss des GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner

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